Gedanken zur hospizlichen Haltung, Begleitung und Spiritualität
von Reinhold Waltermann - Pfarrer, Seelsorger (em.)
Menschen, die ins Hospiz kommen, sind unheilbar und weit fortgeschritten erkrankt. Sie ahnen oder wissen, dass ihnen nur noch eine begrenzte Lebenszeit bleibt. Für die meisten von ihnen bedeutet diese Erfahrung eine tiefe Lebenskrise.
Wir Menschen wissen zwar - oder können es wissen, dass Sterben zu unserer menschlichen Natur und damit zu unserem Leben gehört. So gesehen ist der Tod etwas ganz Natürliches. Gleichzeitig ist aber der Tod für Menschen, die sich ihm konfrontiert sehen, eine unannehmbar erscheinende Zumutung und tiefe Erschütterung. Wenn der Tod auch unausweichlich zu unserem Leben gehört, so erleben wir Menschen ihn in aller Regel doch als etwas Lebensfeindliches, tief Bedrohendes und Zerstörendes, jedenfalls solange das Leben nicht zur unerträglichen Last geworden ist. „Uns eignet kein naturales, kein gewissermaßen genetisch angelegtes Einverständnis mit unserer Endlichkeit" (Volker Eid).
Im Hospiz geht es neben der symptomtherapeutischen (z. B. schmerztherapeutischen) und pflegerischen Versorgung um die mitmenschliche Begleitung bei der Gestaltung und Bewältigung der letzten, oft schwierigsten Lebensphase. Die Erfahrung der eigenen Endlichkeit und die Aussicht auf den nahen Tod lösen bei den Betroffenen nicht selten erhebliche Ängste aus. Auch bei religiös gläubigen Menschen kann der erfahrene Widerspruch zwischen den geglaubten Wahrheiten und dem erfahrenen „Elend" des Sterbens eine tiefe Verunsicherung auslösen.
Die haupt- und ehrenamtlich engagierten Menschen bemühen sich, mit Fachkompetenz und Mitmenschlichkeit die Bewohnerinnen, Bewohner und ihre Angehörigen und Freunde (Zugehörige) in dieser Lebensphase zu begleiten.
Zu unserer Haltung und Spiritualität gehört darum wesentlich das, was wir unter den Stichworten Solidarität und Fürsorge verstehen.
Der ursprüngliche Sinn des Wortes Solidarität ist „Zusammengehörigkeitsgefühl" durch enge Verbundenheit. Da gibt es kein Oben und Unten, kein Gefälle zwischen den Partnern. In solchem Verständnis ist Solidarität ein Grundwort hospizlicher Spiritualität. Die im Hospiz Arbeitenden und die im Hospiz Lebenden verbindet, dass ihr Leben von der Endlichkeit gezeichnet ist und dass sie sterben müssen.
Darum verstehen wir die ins Hospiz kommenden Menschen nicht als Klienten oder Patienten, sondern als Bewohnerinnen und Bewohner, als Mitmenschen. Partnerschaftlicher Respekt, Achtung der Persönlichkeit bestimmen den Umgang miteinander. Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen, wie sehr partnerschaftlicher Umgang und Solidarität anderer helfen können, uns gegenseitig zu respektieren und anzunehmen wie wir sind. Die Sensibilität für manches Fragmentarische im eigenen Leben mit seinen Bedrohungen, Grenzen und Brüchen ist ein wesentliches Moment der eigenen Lebensgestaltung angesichts unserer menschlichen Endlichkeit.
In diesem Sinn ist das Wort zu verstehen, dass „nur zur Endlichkeit befreite Menschen geschwisterliche Menschen sein können" (Fulbert Steffensky). So ist der Erweis von menschlicher Nähe, von Verlässlichkeit und Mitaushalten der Not der im Hospiz lebenden Menschen praktizierte Solidarität. Solche Nähe lässt erfahren: Ich bin bei dir. Gerade weil jeder und jede für sich allein stirbt, kann die Nähe und Zuwendung anderer, der Angehörigen und Freunde wie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dem Bedürfnis entgegen kommen, in der schwierigsten Situation des Lebens nicht verlassen zu sein. Solche Solidarität kann im Prozess der letzten Lebensphase so etwas sein wie ein Geländer, an dem auf den Tod hin Lebende oder Sterbende Halt finden.
In Notlagen oder in extremer Belastung bedürfen wir der Nähe, mitunter auch der Hand des oder der anderen, real und im übertragenen Sinn. Es ist die Vergewisserung von Nähe, Schutz und Halt. Für den gläubigen Menschen kann diese Erfahrung in der letzten Lebensphase auch eine unterstützende Vergewisserung der Nähe Gottes sein, der seine Hand entgegen streckt und zu uns Menschen hält, auch wenn dafür keine Worte mehr gesagt werden können. Wenn es eine Chance gibt, Sterben zu „erleichtern", dann dort, wo in sensibler Achtsamkeit solidarisches Begleiten gelingt.
Eine alle Möglichkeiten ausschöpfende Fürsorge und eine symptomtherapeutisch optimale Betreuung sind unterschiedslos für alle im Hospiz das Maß des Handelns.
Die Bewohnerinnen und Bewohner erleben sich in aller Regel stark geschwächt oder hinfällig, zudem durch die vorausgegangene Diagnose tief verunsichert und entmutigt. Die zunehmende Schwäche, die Gebrechlichkeit und die Unfähigkeit, sich selbst zu helfen, führen zu Verunsicherung und können eine depressive Grundstimmung erzeugen. Die physischen und psychischen Erfahrungen hängen dabei aufs Engste zusammen.
Ein Betreuungskonzept, das nicht mehr die Heilung eines Menschen zum Ziel haben kann, muss seine Wirkung dahingehend prüfen, ob es aus der Sicht der Erkrankten und ihrer Zugehörigen die Pflege als hilfreich bzw. „notwendend" erfahren wird beim Durchleben der tiefen Lebenskrise.
Die Mitarbeitenden suchen über ihre jeweiligen Aufgaben den Kontakt und möchten so viel Vertrauen und Sicherheit im Miteinander aufbauen, dass die Erkrankten und ihre Zugehörigen sich im Hospiz wahrgenommen, beachtet und in ihrer Persönlichkeit angenommen fühlen. Das erfordert Hörfähigkeit, Zeit, Empathie und die Fähigkeit, den „Augenblick", den richtigen Moment zu erfassen.
Ein Indiz für gelingende Fürsorge dürfte sein, wenn die Bewohnerinnen und Bewohner sich im Hospiz „gut aufgehoben" fühlen. Zu diesem Gefühl führt nicht nur eine fachlich kompetente Betreuung. Dazu gehört auch die gleichzeitig erfahrene menschliche Zuwendung, ein verständnisvoller Umgang und erfahrene Akzeptanz.
Wenn Menschen, die physisch und psychisch „am Boden liegen" sich „gut aufgehoben fühlen", dann ist erreicht, was hospizliche Spiritualität intendiert.
Unsere Spiritualität verstehen wir als Seelsorge im umfassenden Sinn. Es geht dabei immer um den ganzen Menschen in seiner leiblichen und seelischen Verfassung. Darüber hinaus gibt es das Angebot spezieller seelsorglicher Begleitung. Die körperliche und psychische Erfahrung „gut aufgehoben zu sein", und die auch in aller Schwachheit und Hinfälligkeit erfahrene menschliche Würde, können uns Menschen helfen, uns „aus der Hand zu geben" und uns anderen Händen anzuvertrauen, auch jemandem, bei dem wir im Tod „in guten Händen" sein werden.
Manchem kann der christliche Glaube in diesem Sinn ein letztes Hospiz sein, in dem solches Vertrauen wächst. Der Tod gehört zu uns. Vielleicht ist er ja doch nicht nur unser Todfeind. Franziskus konnte ihn in erfahrener Hinfälligkeit „Bruder Tod" nennen.
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