Authentisch oder Scheinheilig
MEDITATION über Vollkommenheit
Es gibt eine Entschuldigung, gegen die kann man nichts einwenden: Nobody is perfect. Keiner ist perfekt. Keinem gelingt immer alles. Keiner ist frei von Schwächen. Keiner kann immer Alles geben. Und dann lese ich in der Bibel das: "Ihr sollt vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist." (Mt 5, 48) Jesus sagt das den Leuten, die ihm bei seiner ersten großen Predigt, der Bergpredigt zuhören. Das ist ja schon ein gewaltiger Anspruch, vor dem ich zuerst einmal zurückschrecke. Das kannst du nicht, das schafftet du nicht, sage ich mir. Und will ich das überhaupt, als "perfekter und vollkommener Christ" auftreten? Schon der Anspruch würde mich in der Öffentlichkeit als überheblich und abgehoben dastehen lassen. Na, den wollen wir uns mal genauer anschauen. Da wollen wir doch mal beobachten, ob er halten kann, was er als einen Maßstab vorgibt.
Ich bin überzeugt, dass Jesus das nicht wollte: Alleskönner, Alleswisser, Allesmacher, Allesglauber. Das ist nicht die Vollkommenheit, um die es geht. Gott ist vollkommen, weil er tut, was er sagt. Weil es bei ihm keine Differenz, keine Spannung zwischen Verheißung auf der einen Seite und Erfüllung auf der anderen Seite gibt. Und darum geht es auch bei der Vollkommenheit, zu der Jesus mich auffordert. Es geht um Menschen, die zeigen wer sie wirklich sind. Die einem nichts vormachen, die sagen, was sie meinen und die tun, was sie sagen. Von ihnen sagt man, sie sind ganz "authentisch". Ich kann sie also so wahrnehmen, wie sie wirklich sind. Zwischen Schein und Sein gibt es keinen Bruch. In der Politik, in den Kirchen, an verantwortungsvollen Positionen in der Gesellschaft sind solche Menschen ganz wichtig und gefragt. Ein großer Teil der Verdrossenheit und des Misstrauens hat doch seinen Grund in der Erfahrung: Ich werde getäuscht. Die sind ja gar nicht so selbstlos. Die reden ja nur sozial daher und handeln ganz anders. Die versprechen viel und halten wenig.
Ich finde das Wort "Scheinheilig" so treffend, vor allen Dingen, wenn es um Anspruch und Wirklichkeit des Christentums geht. Da ist zum einen der Anspruch der "Heiligkeit". Ein Vers in dem 1. Petrusbrief der Bibel greift das Wort Jesu von der "Vollkommenheit" noch einmal auf. Ich lese dort: "Wie er, der euch berufen hat, heilig ist, so soll auch euer ganzes Leben heilig werden." (1Petr 1,15) Das ist eine Herausforderung. Und ich weiß genau: Das bin ich nicht. Jedenfalls nicht andauernd und durchgängig. Da gibt es die Zeiten und Taten in meinem Leben, die ziemlich unheilig sind. Aber darf ich das sagen? Will ich das zugeben? Sollte ich nicht doch lieber den Schein wahren und ihn vor die Heiligkeit stellen?
Wenn ich "authentisch" sein will, werde ich auch meine Unvollkommenheit nicht verbergen. Ich muss sie nicht zur Schau stellen. Aber ich werde zugeben: Ich bin noch auf dem Weg zur Heiligkeit. Und ich werde mich mit vielen Weggefährten an der Heiligkeit Jesu orientieren. Lieber einen späten Heiligenschein, als jetzt scheinheilig sein.
Lutz R. Nehk
Hier können Sie den Beitrag anhören: MEDITATION
Foto: © Steinbrich_pixelio.de , Musik: jamendo.com
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