Das Wort, das tröstet und befreit
Meditation zu Weihnachten
Tiefes Schweigen und die Mitte der Nacht – damit verbindet der Mensch nichts Gutes. Schweigen ist ok. Das kann in einer von permanenter Geräuschkulisse belasteten Zeit sehr erholsam sein. Aber „tiefstes Schweigen“? Da ist kein Leben mehr drin, da rührt sich nichts mehr. Das ist das Ende. Und die „Mitte der Nacht“? Ein Bild für die tiefste Finsternis, die ein Mensch erfahren kann. Aus dem tiefsten Schweigen und der Mitte der Nacht kommt der Mensch nicht mehr aus eigener Kraft heraus. Es ist ein Bild des Unheils und der Rettungsbedürftigkeit.
Das biblische Buch der Weisheit beschreibt damit die Situation des Volkes Israel in der Nacht der Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten. „Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht bis zur Mitte gelangt war …“ (Weish 18,14) Mose hatte das Volk Gottes auf diesen Tag vorbereitet. Er hatte den Pharao gewarnt, hatte ihm gesagt, er solle das Volk freiwillig gehen lassen. Und nun, in dieser Nacht, wendet sich das Blatt: „Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht bis zur Mitte gelangt war, da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel, vom königlichen Thron herab als harter Krieger mitten in das dem Verderben geweihte Land.“ Der „harte Krieger“ straft Ägypten und befreit Israel. Die einen trauern um ihre erstgeborenen Söhne, die anderen ziehen durch das Rote Meer in die Freiheit.
Es ist ein sehr dramatischer Text, der den Auszug Israels aus Ägypten als die rettende Tat Gottes beschreibt – mit Bildern des Todes und mit Bildern des Lebens und der Bekehrung: „Das Wesen der ganzen Schöpfung wurde neugestaltet; sie gehorchte deinen Befehlen, damit deine Kinder unversehrt bewahrt blieben.“ (Weish 19,6)
In der christlichen Frömmigkeit tauchen die Bilder „tiefes Schweigen“, „die Mitte der Nacht“, „das allmächtige Wort“ in einem ganz anderen Zusammenhang auf: In der Weihnachtsgeschichte. „Stille Nacht, heilige Nacht, alles schläft …“. Da „schlägt uns die rettende Stund’“ und der göttliche Retten, Christus, ist da. Und das „allmächtige Wort“, das vom Himmel herab, vom königlichen Thron springt, taucht am Beginn des Johannes-Evangeliums wieder auf: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gelebt …“ (Joh 1,14)
Das ist nicht weniger dramatisch als im Buch der Weisheit. Das seit Ewigkeit gesprochene Wort Gott, das Wort, das gesagt hat „Es werde!“ und bewirkt, dass „Es war.“. Das Wort, das Gott selbst ist, es verlässt den Bereich der Göttlichkeit, es entäußert sich und nimmt die Niedrigkeit der Menschengestalt an.
In der christlichen Deutung hat sich aber die Intention des Wortes grundlegend geändert. Es steht nicht mehr für einen „Vernichtungsbeschluss“. Es ist nicht mehr der „harte Krieger“, der hintritt mit scharfem Schwert, um den „unerbittlichen Befehl“ auszuführen und alles mit Tod erfüllt. (vgl. Weish 18,16) Die Intention des „ewigen Wortes Gottes“ in der Deutung des Johannes-Evangeliums ist das Leben: „In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen.“ (Joh 1, 4) Ein Wort, das sich auch Ablehnung gefallen lassen muss. Ein Wort, dessen Annahme im Glauben die Gemeinschaft mit Gott und die Macht der Kindschaft Gottes schenkt.
Ich schaue auf die Welt und die Menschen. Ich kann gar nicht mehr nur einen kleinen Ausschnitt sehen. Zu sehr ist die Welt heute verflochten, manchmal miteinander verknotet – zum Heil und zum Unheil. Ich sehe Menschen, die von „tiefem Schweigen“ und von Finsternis umgeben sind. Nicht nur Flüchtlinge. Auch Arme, Hungernde, Versklavte, missbrauchte Kinder und Frauen. Ich bitte Gott: Sprich du das Wort, das tröstet und befreit.
Lutz R. Nehk
Hier können Sie den Beitrag auch anhören: MEDITATION
Foto: © nehk2015 Musik: privat
Sie möchten unsere Arbeit unterstützen?
Um unseren Hospizbewohnern bis zuletzt ein Leben in Würde ermöglichen zu können, aber auch für den ambulanten Dienst und die Trauerbegleitung benötigen wir Ihre Spende. – Herzlichen Dank.
Unser Spendenkonto
Darlehnskasse Münster
IBAN: DE30 4006 0265 0002 2226 00
BIC: GENODEM1DKM
... oder spenden Sie hier:
Sie haben Fragen?
Ihr Ansprechpartner:
Ludger Prinz
Geschäftsführung
Telefon: 0251 9337-626
info@johannes-hospiz.de
Philomena Brinkbäumer
Leitung Öffentlichkeitsarbeit │ Fundraising
Telefon: 0251 37409325
p.brinkbaeumer@johannes-hospiz.de