Die guten Plätze
Mittlerweile habe ich eine ganz hübsche Sammlung von Platzkärtchen. Bei Hochzeiten, Taufen, bedeutenden Geburtstagen, also immer wenn es ein feierlichen Essen gibt, sind sie "Sicherheitshinweise". Ich darf mir sicher sein, dass ich eingeplant bin und erwartet werde. Ich darf mir sicher sein, wo mein Platz ist. Muss also nicht erst suchen und vielleicht sogar darum kämpfen. Ich darf mir sicher sein, dass sich die Gastgeber Gedanken darüber gemacht haben, neben wem und mit wem ich an einem Tisch sitze.
Heute sieht man das recht locker. Da gibt es eine bunte Mischung: Die Großmutter sitzt neben dem Jugendfreund und der alte Onkel neben der Sandkastenfreundin. Jung und alt, Familie und Freundschaften - alles gut gemischt. Kennenlernen heißt das Programm. Man kann dabei aber so viel falsch machen und Leute verärgern. Da gilt es Rücksichten zu nehmen und Empfindlichkeiten zu beachten. Wer kann mit wem und wer kann mit wem nicht. Das ist wahrlich keine leichte Aufgabe. Vor allen Dingen, wenn erwartet wird, dass durch die Sitzordnung auch eine Rangordnung deutlich wird. Die wichtigen Leute ganz nahe dran, und die unwichtigen in der Tiefe des Raumes. Das gibt auch eine Sicherheit, die meiner Bedeutung und meines Ansehens.
Jesus spricht gerne von einem Fest, von einer Hochzeitsfeier, wenn er den Leuten das Himmelreich erklären will. Ganz in der Tradition des Volkes Israel. Der Prophet Jesaja beschreibt das Ende der Zeit nicht als ein großes Chaos, sondern so: Der Herr der Heere wird auf dem heiligen Berg für alle Völker ein Festmahl geben mit den feinsten Speisen, ein Gelage mit erlesenen Weinen, mit den besten und feinsten Speisen, mit besten, erlesenen Weinen. (Jes 25, 6)
Und dann kommen tatsächlich zwei der Jünger zu Jesus, Jakobus und sein Bruder Johannes, und bitten ihn um die Ehrenplätze in seinem Reich. (Mk 10, 35) Also an der Festtafel gleich zur Rechten und zur Linken des Herrn. Das ist der Platz, der ihnen zusteht. Davon sind sie offensichtlich überzeugt. Jesus bremst die beiden. Nicht er hat diese Plätze zu vergeben. Sie sind für die bestimmt, die es schaffen, sich selbst, ihr Ansehen, ihre Bedeutung und Wichtigkeit ganz unwichtig zu nehmen: Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. So formuliert Jesus eine Bedingung der Nachfolge: Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen. (Mk 10, 44f) Die Platzkarten für das Himmelreich werden also nicht nach menschlichem Ansehen und nach der Würde irdischer Maßstäbe verteilt.
Wo werde ich also Menschen treffen, die Aussicht auf gute Plätze an der Festtafel im Himmelreich haben? Da, wo Not ist und einer handelt. Da, wo Hunger ist und einer sein Brot teilt. Da, wo Krankheit ist und einer zur Seite steht. Da, wo Trauer ist und einer tröstet. Da, wo Zweifel herrscht und einer Hoffnung macht. Da, wo Streit ist und einer Frieden stiftet. Da, wo Gefangene gemacht werden und einer die Würde verteidigt. Da, wo ein Mensch ist und einer ihn als Mensch achtet. Da gibt es die guten Plätze.
Lutz R. Nehk
Hier können Sie den Beitrag auch anhören: MEDITATION
Foto: © Nehk 2012 / Musik: musopen
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