Drei mal Auszug
Zweiter Fastensonntag
Wir haben zwei violette Zeiten im Kirchenjahr. Es sind die Vorbereitungszeiten auf zwei hohe Feiertage: Vier Adventswochen vor Weihnachten und vierzig Fastentage vor dem Osterfest. Beide Vorbereitungsphasen sind von bestimmten Stimmungen geprägt. Der Advent ist eindeutig eine Zeit in der es um das Warten und um Erwartungen geht. Wachsam warten, so wie die klugen Jungfrauen auf die Ankunft des Bräutigams. In der Fastenzeit vor dem Osterfest sind die Stichworte „Auszug“ und „Aufbruch“ sehr bestimmend. Unterstützt wird das auf jeden Fall durch die Frühlingsstimmung, die immer mit dem Osterfest einhergeht. Nach langen, dunklen und kalten Winterwochen bricht das Leben zu neuem Wachstum auf. Die Natur bricht auf zu neuer Blüte.
Es sind aber sehr konkrete Aufbrüche und Auszüge, die in dieser Zeit betrachtet werden. Das ist Abraham mit seiner Familie. Alles gut organisiert und etabliert. Ganz unvermittelt und ohne große Vorrede beginnt die Bibel die Geschichte Abrahams: „Der Herr sprach zu Abram: Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde.“ (Gen 12, 1-9) Ohne dass Abraham auch nur ein einziges Wort gesprochen hat, heißt es dann: „Da zog Abram weg, wie der Herr ihm gesagt hatte.“ Keine Frage, keine Einwände, kein „Ja, aber …“, nur eine ganz großartige Verheißung: „Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deine Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein.“
Verrückt möchte man meinen. Wie kann einer auf eine so vage Zusage hin seine ganze bisherige Existenz aufgeben und einfach losziehen? Der Mann muss ein wahnsinniges Vertrauen in die Zukunft gehabt haben. Vertrauen, dass alles gut geht. Vertrauen, dass sich in dem neuen Land das Leben in ungeahnter Weise entfalten kann. Spätere Generationen werden von Abraham sagen: „Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet, und er wurde Freund Gottes genannt.“ (Jak 2, 23)
Auch der zweite Aufbruch, von dem in der Vorbereitungszeit auf Ostern viel gesprochen wird hat etwas mit einem „neuen Land“ zu tun. Das Volk Israel wird aus der Gefangenschaft und Knechtschaft Ägyptens befreit und bricht auf in das Land in dem Milch und Honig fließen. (Ex 3, 7) Dieser Auszug ist schon etwas verständlicher als der des Abraham. Die Verheißung Gottes ist die Befreiung aus einer wirklichen Notlage. Aber auch hier ist die Aussicht gleichermaßen verlockend wie utopisch: Ein Land in dem Milch und Honig fließen! Wo gibt es das? Wo liegt dieses Paradies? Oft hat das Volk Israel auf seiner vierzigjährigen Wanderung durch die Wüste an dieser Verheißung gezweifelt und sich zu den Fleischtöpfen Ägyptens zurück gesehnt. Und in der Tat weiß man bei einem Auszug aus Hier und Jetzt nie wie das Dort und Dann wirklich ist. Der Glaube und das Vertrauen des Volkes Israel in seinen Gott mit dem Namen „Ich bin da“ war oft die einzige Motivation den Auszug durchzuhalten.
Ein dritter Auszug, um den es in dieser Zeit geht, steht nicht in der Bibel. Er steht vielleicht in der Geschichte meines Lebens. Es ist der Auszug den ich ersehne und der Aufbruch, den ich wage. „Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer …“ – so beginnt ein Neues Geistliches Lied, das nun so neu auch nicht mehr ist. In der dritten Strophe heißt es: „Unser versklavtes Ich ist ein Gefängnis und ist gebaut aus Mauern unsrer Angst …“ Ein sehr starkes Bild und wohl mehr eine Provokation. Aber dieses „versklavte Ich“ gibt es ja. Diese vielen kleinen Dinge, zu deren Sklave ich mich selbst gemacht habe. Das Gefängnis mit den nur noch winzigen Zeitfenstern durch die meine Seele Gras und Ufer, Wind und Weite sehen kann. Die Angst, dass es ohne mich nicht geht. Die Angst vor einer Sehnsucht nach dem Dort und Dann.
Vielleicht reichen vierzig Fastentage nicht aus, um seinen Auszug zu wagen und zu gestalten. Aber es sollte keine vierzig Jahre dauern.
Lutz R. Nehk
Hier können Sie den Beitrag auch anhören: MEDITATION
Foto: © Rainer-Sturm_pixelio.de
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