Ein lachendes und ein weinendes Auge
Sehe ich die Welt durch eine rosarote Brille? Oder sehe ich sie eher in düsteren Farben? Ist für mich alles zuerst toll und wunderbar? Oder finde ich immer als erster das Haar in der Suppe? Weder mit der einen noch mit der anderen Sichtweise werde ich der Wirklichkeit gerecht. Ich darf mit dem Schönen rechnen, und ich muss damit rechnen, dass mir die Widrigkeiten des Lebens zusetzen.
„Alles hat seine Zeit.“ Diese Feststellung aus dem biblischen Buch Kohelet ist bekannt wird häufig zitiert. Eigentlich heißt es da genau: „Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit.“ (Koh 3,1ff) Und dann folgt eine lange Aufzählung verschiedener Gegensätze menschlicher Erfahrungen. Zum Beispiel: „ … eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen, eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz …“; oder: „ … eine Zeit zum Suchen und eine Zeit zum Verlieren, eine Zeit zum Behalten und eine Zeit zum Wegwerfen …“; und ein letztes Beispiel: „ … eine Zeit zum Lieben und eine Zeit zum Hassen, eine Zeit für den Krieg und eine Zeit für den Frieden …“.
Ich habe erlebt, dass Brautpaare diesen Text aus der Bibel für die Feier ihrer Trauung ausgewählt haben. Sehr mutig, finde ich. Der „Prediger“, wie Kohelet auch genannt wird, verbreitet ja nicht gerade Feiertagsstimmung. Er gilt vielmehr als Pessimist, als einer der alles in düsteren Farben sieht. Aber eines schätze ich an ihm doch. Er hat einen Blick für die Wirklichkeit des Lebens und will mir diesen Blick vermitteln.
Ein Brautpaar, das mit diesem Text seine gemeinsame Lebensgeschichte beginnt, wird sich damit erden und nicht in ein Wolkenkuckusheim entschwinden. Und das sollte nicht nur für Brautpaare gelten.
Natürlich will ich mich der Wirklichkeit nicht wehrlos ergeben, will nicht einfach hinnehmen, dass es eine Zeit zum Hassen gibt. Ich will, dass Hass der Versöhnung weicht. Ich will auch eine Zeit des Friedens für alle Menschen, die jetzt noch in Kriegszeiten leben müssen. Und die, die Weinen und Klagen, möchte ich gerne zum Lachen und Tanzen bringen. Dafür brauche ich aber den nüchternen Blick auf die Dinge. Ich kann die Realität des Lebens nicht einfach ausblenden.
Ich werde mir die Welt mit einem lachenden und einem weinenden Auge ansehen.
Lutz R. Nehk
Hier können Sie den Beitrag auch anhören: MEDITATION
Foto: © GesaD_pixelio.de
Sie möchten unsere Arbeit unterstützen?
Um unseren Hospizbewohnern bis zuletzt ein Leben in Würde ermöglichen zu können, aber auch für den ambulanten Dienst und die Trauerbegleitung benötigen wir Ihre Spende. – Herzlichen Dank.
Unser Spendenkonto
Darlehnskasse Münster
IBAN: DE30 4006 0265 0002 2226 00
BIC: GENODEM1DKM
... oder spenden Sie hier:
Sie haben Fragen?
Ihr Ansprechpartner:
Ludger Prinz
Geschäftsführung
Telefon: 0251 9337-626
info@johannes-hospiz.de
Philomena Brinkbäumer
Leitung Öffentlichkeitsarbeit │ Fundraising
Telefon: 0251 37409325
p.brinkbaeumer@johannes-hospiz.de