Eine Zeit der Propheten
Zum 3. Advent
Vor etwa neun Monaten schrieb ich Leuten einen Brief. Es war zum 25. März, dem Fest der „Verkündigung des Herrn“. Die Menschen in Deutschland, in Europa und weltweit machten ihre ersten bitteren Erfahrungen mit dem Corona-Virus. Es war mitten in der Fastenzeit und für die Christen stand fest: Es wird in der Karwoche und zum Osterfest keine öffentlichen Gottesdienste geben. Die Gefahr der gegenseitigen Ansteckung war zu groß.
Damals also schrieb ich: „In neun Monaten feiern wir Weihnachten. Es wird uns heute wohl noch nicht so sehr die Theologie des Festes der Geburt des Immanuel, des ‚Gott mit uns‘ interessieren. Unsere Hoffnung ist wahrscheinlich ‚weltlicher‘: Wir hoffen, das Fest mit der Familie, mit den Kindern und Großeltern, mit unseren Schwestern und Brüdern im Glauben, mit unseren Freunden feiern zu können. Wir hoffen auf eine schöne Feier der Christmette – mit allem Drum und Dran. Wir hoffen auf einen stattlichen Christbaum – mit mehr Lametta als früher. Wir hoffen auf Umarmungen, Händeschütteln und den Friedensgruß. Wir hoffen auf Befreiung vom Kontaktverbot und aus den eigenen vier Wänden – schon jetzt.“ *
Fehlgeschlagen, mein Versuch prophetischer Rede. All das wird so nicht stattfinden. Weihnachten 2020 bleibt überschattet von den bedrohlichen Zahlen der Neuinfektionen und der Klage über die vielen, zu vielen Toten.
Der Advent ist die Zeit der Propheten. Und viele gibt es im Augenblick. Sie sprechen nicht im Namen des Allmächtigen, wie es die großen Propheten des Alten Testaments getan haben. Sie sprechen aber gedrängt von ihrer Verantwortung für die Menschen – als Politikerinnen, Wissenschaftler, Ärztinnen und Pfleger. Sie warnen vor Szenarien, die keiner von uns erleben möchte. Sie rufen zur Einsicht und – um es biblisch zu sagen – zur Umkehr. Sie mahnen zur Reduzierung von Kontakten, die immer eine Gefahr der Ansteckung sind. So die Bundeskanzlerin, Angela Merkel: "Wenn wir jetzt vor Weihnachten zu viele Kontakte haben und anschließend es das letzte Weihnachten mit den Großeltern war, dann werden wir etwas versäumt haben. Das sollten wir nicht tun", sagte sie.
Das ganze Pandemie-Geschehen hat gewiss auch eine religiöse Dimension. Die Menschen erwarten ja von der Religion ein Weg zum Heil und Hilfe zum Wohlergehen. Nicht als jenseitige Vertröstung, sondern gegenwärtig erfahrbar. Hier sind es dann tatsächlich die biblischen Propheten, deren Worte nicht nur in den Advent gehören, sondern auch in genau unsere Situation.
Der Prophet Jesaja sagt: „Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung, damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“ (Jes 61, 1-2)
Diese „frohe Botschaft“ zeigt einen Weg auf. Sie ist keine Zauberformel, die wie von selbst alles Unebene gerade macht. Es ist eine deutliche Ermutigung zum Handeln, die Jesaja für die Menschen hat: Bahnt einen Weg! Baut eine Straße! Damit Heil und Heilung kommen kann. (vgl. Jes 40, 3)
Jesaja spricht gestärkt, inspiriert durch den Geist: „Der Geist des Herrn ruht auf mir.“ Das hört sich sehr erhaben an. Es trifft aber doch für alle zu, die in der Taufe, in der Firmung oder Konfirmation diesen „Geist des Herrn“ empfangen haben. Das ist meine Berufung zu einem prophetischen Dienst in dieser Welt, in dieser Zeit. Der Apostel Paulus ruft auf (1Thess 519-20), sich wieder neu darauf zu besinnen: Löscht den Geist nicht aus! Verachtet prophetisches Reden nicht!
Lutz R. Nehk
* Einheit des Geistes – ein dritter Brief
Hier können Sie den Beitrag auch anhören: MEDITATION
13. Dezember 2020 | Foto: © Nehk 2020 / Musik: privat
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