Einmal so, immer so?
Wie und wo beginnt das eigentlich - das "falsche Zeugnis über meinen Nächsten"? Beginnt es erst mit dem lauten und öffentlichen Herausposaunen? Beginnt es mit dem Tuscheln hinter vorgehaltener Hand? Beginnt es mit einer abfälligen Handbewegung oder einem Stirnrunzeln, wenn sein Name genannt wird?
Moses hat vom Berg Sinai die beiden Steintafeln mit den zehn Geboten mitgebraucht, die ihm dort oben von Gott selbst diktiert worden sind. (Ex 20) Gebote, die kurz und bündig das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen und den Menschen untereinander regeln. Diese Gebote gelten seit eh und je als Grundlage eines friedlichen Zusammenlebens. Das Gebot Nummer 8 lautet kurz und bündig: Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen. (Ex 20, 16) Ich bin mir oft nicht im Klaren darüber, dass das etwas mit meinen täglichen Gesprächen zu tun hat. Es geht ja nicht um eine Aussage über einen anderen, die ich etwa als Zeuge bei Gericht machen soll. Nein, es geht um mein alltägliches Reden. Denn ich rede nicht nur mit Menschen. Und ich spreche auch nicht nur von Menschen. Viel spreche ich auch über Menschen. Das Wörtchen ƒüber" signalisiert, dass es hier um eine Beurteilung, um eine Einschätzung geht. Da ist der Ruf eines Menschen, den ich ihm im meinem Kopf zugewiesen habe. Das reicht von "ganz toll" und großer Begeisterung bis ihn zu vernichtenden Urteilen.
Und hier spricht mir das 8. Gebot ins Gewissen: Wie redest du über andere Menschen? Aber auch: Wie urteilst du über sie? Wie kommt ihr Ruf in deinem Kopf zustande? Meistens beginnt das falsche Zeugnis über sie schon hier. Mein Urteil ist abgeschlossen und festgelegt. Der ist eben so. Die ist schon immer soundso gewesen. Und die, na die sind halt so. Ich mache mir nicht mehr die Mühe, sie noch einmal anders anzusehen. Vielleicht tiefer, vielleicht noch einmal aus einem anderen Blickwinkel. Der Ruf des Amokläufers von Winnenden stand für viele Menschen, die über ihn befragt wurden, fest: Das war ein ganz Stiller. Der ist eigentlich nicht aufgefallen. Das aber ist das fatale: Keiner hat sich für ihn interessiert. Still bleibt still. Unauffällig bleibt unauffällig. Erst durch das grauenhafte Verbrechen ist klar geworden, das er eigentlich ganz anders ist.
Das 8. Gebot gibt mir einen ganz wichtigen Auftrag: Leg keinem die Fesseln an: Einmal so, immer so. Gib ihnen die Möglichkeit in deinem Kopf ganz anders zu sein, als dein Ruf von ihnen. Bitte mach dir die Mühe, andere Menschen immer neu zu sehen.
Lutz R. Nehk
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