Ich teile mit dir
Meditation zur Karwoche
Von Kindesbeinen an wird es einem gesagt: Du sollst teilen. Eine Forderung, die ich nicht immer verstanden und beherzigt habe. Ich weiß nicht, ob ich als Kind gerne mit meinen Geschwistern geteilt habe. Dabei ging es ja meistens um Süßigkeiten oder kleine Geldbeträge für die Sparbüchse. Als großes Vorbild für das Teilen wird in der Kirche immer der hl. Martin dargestellt. Beispielhaft hat er mit dem Bettler seinen Mantel geteilt und dadurch das Leben des armen Mannes gerettet.
Im Neuen Testament kommt das Stichwort „teilen“ allerdings gar nicht so häufig vor. Die Forderung richtet sich vor allen Dingen an die Reichen. „Sie sollen wohltätig sein, reich werden an guten Werken, freigebig sein und, was sie haben, mit anderen teilen“, lese ich im 1. Timotheusbrief. (1Tim 6,18) Dass einem das Teilen nicht immer leicht fällt, sondern auch ein Opfer bedeutet, nimmt der Hebräerbrief zur Kenntnis. Da lese ich: „Vergesst nicht, Gutes zu tun und mit anderen zu teilen; denn an solchen Opfern hat Gott Gefallen.“ (Hebr 13,16)
Nicht allein materielle Dinge können geteilt werden, auch Emotionen und Gefühle, Gedanken und Erfahrungen. „Geteiltes Leid ist halbes Leid - geteilte Freude ist doppelte Freude.“ Wenn Christen mit dem Palmsonntag die Karwoche eröffnen, dann machen sie sich auf den Weg, Emotionen, Gefühle, Erfahrungen und Gedanken zu teilen. Die „Via Dolorosa“, der Leidensweg Jesu, hat seit je her Menschen inspiriert, das Leiden Jesu zu erspüren und dieses Leiden mit ihm zu teilen. Die Solidarität mit dem Schmerzensmann ist eine Begegnung mit dem Leid – freiwillig oder gezwungenermaßen.
Die Evangelisten Markus und Lukas berichten über den Bauern Simon von Zyrene: „Als sie Jesus hinausführten, ergriffen sie einen Mann aus Zyrene namens Simon, der gerade vom Feld kam. Ihm luden sie das Kreuz auf, damit er es hinter Jesus hertrage.“ (Lk 23,26) Was er dabei denkt und empfindet, wird uns nicht berichtet. Bestimmt macht er das nicht gerne. Er wird unfreiwillig in diese Begegnung mit dem Leid hineingestellt und damit ein Teil des Leidens. Er kann dem Leid des anderen Menschen nicht entkommen, er kann es nur teilen.
Ganz anders Veronika. Sie reicht Jesus ein Tuch, um sein verschwitztes, blutiges Angesicht zu reinigen. In der Bibel tauch sie gar nicht auf. Sie will dem Leid begegnen. Freiwillig hat sie sich in die erste Reihe der Schaulustigen gestellt. Diesen einen Augenblick, diese eine Minute das Leid mit dem Geschundenen teilen. Eine fast schon intime Szene.
Die Karwoche ist eine Einladung, die „Via Dolorosa“ mitzugehen. Nicht als Zuschauer, nicht als neugierige Gaffer. Mitgehen als Teil-nehmer, die einen Anteil an diesen Ereignissen von damals haben. Von damals und auch von heute – denn das Leid ist gegenwärtig und nahe und greifbar. Es zieht auf den Flüchtlingsströmen wie auf einer Via Dolorosa durch Europa. Es liegt in den einsam Sterbenden in zu vielen Pflegeeinrichtungen. Es wohnt an der Armutsgrenze in unserer Nachbarschaft. Da sind wir auf jeden Fall Simon von Zyrene und könnten doch Veronika sein.
Geteiltes Leid ist halbes Leid – geteilte Freude ist doppelte Freude. Biblisch ließt sich das so: „Freut euch, dass ihr Anteil an den Leiden Christi habt; denn so könnt ihr auch bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit voll Freude jubeln.“ (1Petr 4,13)
Lutz R. Nehk
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Foto: © bistum erfurt Musik: privat
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