Seele und Leib im Gleichgewicht

Hat meine Seele ein Gewicht? Und wenn Ja, wieviel wiegt sie? 21 Gramm - eine Seele wiegt 21 Gramm. Das hat Anfang des letzten Jahrhunderts der amerikanische Arzt Duncan MacDougall herausgefunden.  „Er hatte sterbende Menschen vor, während und nach dem Eintreten des Todes möglichst präzise zu wiegen versucht. Er war überzeugt, dass die Seele im Gehirn Raum beanspruche. Wenn sie zum Zeitpunkt des Todes den Körper verlasse, müsse deshalb ein Gewichtsunterschied messbar sein.“ - so wird berichtet. (1)

Diese Erkenntnis ist eher kurios und in der Wissenschaft ohne Bedeutung geblieben. Dennoch eine interessante Frage im übertragenen Sinn: Welches Gewicht hat meine Seele? Wie fällt sie im Blick auf mein Leben ins Gewicht? 21 Gramm, das wären im Verhältnis zum Gesamtgewicht meines Körpers sehr, sehr wenig. In der Tat nehme ich die Seele als solche körperlich auch nicht so wahr, wie das Herz oder den Magen. Ich bin mir aber darüber bewusst, dass meine Persönlichkeit eine Einheit von Leib und Seele ist. Die Seele - eine mir innenwohnende Kraft, die sehr wohl Auswirkungen auf meinen Körper hat. Wohlbefinden und Niedergeschlagenheit, was meiner Seele guttut und was sie bedrückt, das nehme ich auch körperlich wahr.

Sie spielt auch in meinem religiösen Empfinde eine Rolle - hier vielleicht sogar die Hauptrolle. Ich vermag eine Beziehung zu Gott aufzubauen durch meine Seele. Anders als mein Körper, ist sie nicht an Raum und Zeit gebunden. Sie kann diese beiden Größen übersteigen, nach Gott im Jenseits suchen und ihm begegnen. So heißt es in einem Kirchenlied: „Zu dir, o Gott, erheben wir die Seele mit Vertrauen …“. (GL 142)

Ein Tausch der Bedeutung, der Rolle, des Gewichts von Körper und Seele vollzieht sich im Blick auf das Ende des Lebens: Der Körper ist sterblich, die Seele ist unsterblich. Der Körper? Der Psalm 103 formuliert sein Schicksal so: „Des Menschen Tage sind wie Gras, er blüht wie die Blume des Feldes. Fährt der Wind darüber, ist sie dahin; der Ort, wo sie stand, weiß von ihr nichts mehr.“ (Ps 103, 15f) Unsere Vorstellungen vom Jenseits sind bestimmt von der Seele. Sie hält Ausschau nach Gott über den Tod hinaus: „Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann darf ich kommen und Gottes Antlitz schauen?“ (Ps 42,3)

Darf ich nun den Körper abschreiben? Soll ich mich nur ganz auf das Heil der Seele konzentrieren? Es würde Gott wohl nicht einfallen, sich in seinem Himmel mit körperlosen Seelen zu umgeben. Er hat dem Menschen den Leib gegeben. Er mich „kunstvoll und fein bereitet“ (GL 392). Er hat mich nach seinem Abbild geschaffen. Dem Menschen hat er seinen „Lebensatem in die Nase geblasen“. Ihn so zu einem lebendigen Wesen gemacht (vgl. Gen 2,7).

Wenn wir nun bald Ostern feiern und die Auferstehung Jesu von den Toten bejubeln, dann hat das auf jeden Fall etwas mit unserer Zukunft als Menschen mit Leib und Seele zu tun. Der Atem Gottes, der unseren Leib lebendig gemacht hat, er wirkt fort. Er wirkt sich aus als der Zusammenhalt meiner Persönlichkeit, die nicht nur Körper und die nicht nur Seele ist. Paulus hat das trefflich formuliert: „Wenn der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat, dann wird er, der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat, auch euren sterblichen Leib lebendig machen, durch seinen Geist, der in euch wohnt.“ (Röm 8, 11)

Lutz R. Nehk

Hier können Sie den Beitrag auch anhören: MEDITATION

_{Foto: © Nehk 2017  Musik: privat  (1) www.beobachter.ch}