Sei wahrhaftig in deinem Handeln

Mit ist unlängst ein Wort begegnet, bei dem ich innerlich stramm stehe: "wahrhaftig". Klingt etwas altmodisch, gewiss. Es ist ja mehr ein Ausruf: "Das ist wahrhaftig richtig!" oder: "Wahrhaftig, da hast du Recht!" Das wiegt wesentlich mehr als ein einfaches "Finde ich ok." In der Bibel wird das Wort "wahrhaftig" sogar zu einem Glaubensbekenntnis. Gott selbst ist der Wahrhaftige. Und die Jünger Jesu bekennen, nachdem er sie aus Seenot gerettet hat: "Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn." (Mt 14,33) Fast mit den gleichen Worten bekennt das auch der Hauptmann der Soldatentruppe, die Jesus zu kreuzigen hatte: "Als der Hauptmann, der Jesus gegenüberstand, ihn auf diese Weise sterben sah, sagte er: Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn." (Mk 15, 39)

Das Wort "wahrhaftig" habe ich in einem Zitat von Dr. Erich Klausener entdeckt. Er wurde 1885 in Düsseldorf geboren. Er war unter anderem Landrat in Adenau und Recklinghausen bevor er nach Berlin kam. Hier war der hohe Regierungsbeamte Vorsitzender der "Katholischen Aktion", dem Zusammenschluss der katholischen Laien. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde Klausener zunehmend klar, dass dieser Weg in die Irre führt. In verschiedenen öffentlichen Reden sprach er das offen und engagiert aus, zuletzt vor 60.000 Zuhörern beim Märkischen Katholikentag am 24. Juni 1934 auf der Pferderennbahn Hoppegarten. Wenige Tage später, am 30. Juni, wurde er von einem SS-Mannin seinem Büro ermordet. Das ist nun 80 Jahre her.

Dr. Erich Klausener gilt als der erste Blutzeuge des Bistums Berlin, der in der Zeit der Naziherrschaft in Deutschland sein Leben hingab. In seinem Schreibtisch fand man einen Zettel, auf dem handschriftlich notiert war: "Sei wahrhaftig in deinem Handeln." Also kein Appell an die Masse, sondern eine private Erinnerungsnotiz, eine Selbstverpflichtung. Hier bekommt das Wort "wahrhaftig" noch eine weitere Bedeutung, einen moralischen Anspruch. Unverkennbar steckt darin der Begriff "Wahrheit". Das würde also heißen: Sei in deinem Handeln immer der Wahrheit verpflichtet. Dein Handel sein immer mit der Wahrheit zusammengeheftet. Man könnte auch sagen: Bleib in deinem Handeln immer an der Wahrheit kleben.

Da taucht sie dann auf, die bedeutungsschwere Frage des Pontius Pilatus an Jesus: "Was ist Wahrheit?" (Joh 18, 38) Gibt es darauf überhaupt eine eindeutige Antwort? Es gibt die Meinung: Jeder Mensch hat seine eigene Wahrheit. Eine alles umfassende Wahrheit kann es also nicht geben. Andere sagen: die Wahrheit ist in Bewegung. Man erkennt immer nur eine augenblickliche Wahrheit, weil jedes Erkennen auch immer wieder neue Fragen aufwirft. So ist die Wahrheit immer nur vorläufig und muss offen sein, sich zu verändern. Nur diese Offenheit garantiert den Weg die Wahrheit wirklich zu erkennen.

Die Botschaft der Bibel sagt: Gott selbst ist die Wahrheit. „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“, sagt Jesus. (Joh 14, 6) Sein Leben steht im Dienst der Wahrheit. "Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme." (Joh 18,37) So wird "wahrhaftiges Handeln" der Christen sich immer an Jesu selbst messen und dadurch die Welt verändern - zum Besseren, mehr dem Licht entgegen und heraus aus der Finsternis: "Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind." (Joh 3, 21)

Christen haben die Wahrheit nicht gepachtet und nicht allein den Anspruch, wahrhaftig zu handeln. Das Zeugnis von Dr. Erich Klausener aber zeigt, dass Christen für die Wahrheit und gegen die Lüge menschenverachtender Systeme auch an die Grenzen des eigenen Lebens gehen können. Klausners Urne ist in der Gedenkkirche Maria Regina Martyrum in Berlin beigesetzt. Hier wird an alle "Blutzeugen der Glaubens- und Gewissensfreiheit von 1933-1945" erinnert.

Lutz R. Nehk

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_{Foto: © Nehk 2014, Ausschnit aus einem Glasfenster mit dem Zitat Klauseners in der Gedenkkirche in Berlin,  Musik: privat}