Sich in die Nähe Gottes bringen
Bei meiner ersten Begegnung mit einem Aids-Kranken spielte der Rosenkranz eine Rolle. Es war Ende der 1980ger Jahre. Ich wurde als junger Kaplan in das Klinikum Steglitz zur Krankenkommunion gerufen. Es gab umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen, bevor ich in das Krankenzimmer gehen konnte: Mundschutz, Kittel, Überzieher für die Schuhe. Als ich das Zimmer betrat, stand ich in einer Art Wohnzimmer. Die Freunde und die Familie von Frank hatten den sterilen Raum gemütlich gemacht: Bilder, Kissen, Blumen, Plüschtiere, Radio und Fernseher. Sie können das ruhig ausziehen, sagte mir eine Freundin, und zeigte auf die Schutzkleidung. Hier steckt man sich nicht an. Ich war froh, denn ich fühlte mich in dieser Kleidung wie von einem anderen Stern.
Frank kam aus Süddeutschland und die Welt war ihm dort zu klein geworden. Als schwuler Mann war Berlin die Stadt seiner Wahl. Daheim war er kirchlich sehr engagiert, war Ministrant und in der Jugendarbeit. Nach seinem Comingout war aus damit und in Berlin hat keiner mehr danach gefragt, ob er in die Kirche geht. Aber den Glauben und die Frömmigkeit hat er sich bewahrt. Das wirft man nicht einfach weg, wie ein abgetragenes T-Shirt. Jetzt, in dieser extremen Situation seiner Erkrankung, unheilbar, gesellschaftlich als eine Art „Schwulenpest“ bezeichnet, den baldigen Tod sicher vor Augen, jetzt wurden Erinnerungen an Gebete lebendig.
Er hatte seine Eltern gebeten, ihm einen Rosenkranz zu besorgen. Daran konnte er sich gut erinnern. Die Rosenkranzandachten im Oktober. Wer das über Jahre mitgemacht hat, bei dem hat sich dieses Gebet einen festen Platz im Gedächtnis erobert. Immer wieder wird das Ave-Maria gebetet, 50 mal, dabei immer wieder die Betrachtung eines biblischen Bildes. Jesus, der für uns das Kreuz getragen hat. Jesus, der für uns gestorben ist. Jesus, der für uns vom Tode auferstanden ist.
Die Eltern haben Frank einen Rosenkranz mitgebracht, der nur zehn Perlen hat und ein kleines Kreuz, den man wie einen Ring an seinem Finger tragen kann. Wir haben über die Gebrauchsanweisung dieses „Fingerrosenkranzes“ gesprochen. Mehr aber darüber, dass es nicht darauf ankommt sich ganz genau daran zu halten. Das Gebet ist eine Hilfe, sich in die Nähe Gottes zu bringen. Ihm zu begegnen. Seine Liebe und Barmherzigkeit zu erfahren.
Frank hat sein Krankenzimmer nicht mehr verlassen können.
Lutz R. Nehk
Hier können Sie den Beitrag auch anhören: MEDITATION
Foto: © Nehk und Der Klosterladen Berlin / Musik: jamendo.com
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