Stille und Vertrauen
Zum neuen Jahr
Schon Mitte November kam bei mir der Gedanke auf: Das Jahr ist eigentlich gelaufen: Der Kalender der letzten Wochen ist gut gefüllt, die Planung für das nächste Jahr voll im Gange. Das ging doch wieder schnell vorbei, dieses Jahr, dachte ich mir. War es gut? War es schlecht? Die Zeit für einen ausführlichen Jahresrückblick habe ich mir noch nicht genommen. Und die wenigen Stunden bis zum Beginn des neuen Jahres werden dafür vielleicht auch gar nicht ausreichen. Könnte ja ein erster Vorsatz sein: Halte 2011 öfter mal inne und ziehe eine Zwischenbilanz. Nimm die Batterie aus der Uhr und tue so, als sei die Zeit stehen geblieben. Diesen Gefallen wird sie mir zwar nicht tun, ich werde mich aber auch nicht von ihr treiben lassen.
Das ist ja diese Zwickmühle. Auf der einen Seite geht immer wieder die Klage: „Die Zeit rennt mir davon.“ Auf der anderen Seite muss heute alles schnell, schnell gehen. „Gut Ding braucht Weile.“, gilt ja schon lange nicht mehr. Gut ist, was schnell geht und schnell fährt. Ich sollte mir am besten Sekundenkleber auf den Hosenboden schmieren damit ich mal sitzen bleibe und an einem Ort verweile.
„Nur in Umkehr und Ruhe liegt eure Rettung, nur Stille und Vertrauen verleihen euch Kraft. Doch ihr habt nicht gewollt, sondern gesagt: Nein, auf Rossen wollen wir dahinfliegen. Darum sollt ihr jetzt fliehen. Ihr habt gesagt: Auf Rennpferden wollen wir reiten. Darum rennen die Verfolger euch nach.“ (Jes 30, 15-16) In diesem Wort des Propheten Jesaja hat das Sprichwort seinen Ursprung: „In der Ruhe liegt die Kraft.“ Er redet zu Israel, dem trotzigen Volk. Er redet von Bestrafung. Aber eher von einer, die man sich selber zufügt. Umkehr, Ruhe, Stille, Vertrauen – alles sehr statisch, alles behäbig. „In der Ruhe liegt die Kraft.“ – ist ja auch ein Spott über die, die alles sehr langsam machen und gemächlich. Die sich dem Zwang zur Dynamik nicht beugen wollen.
Auf Rossen dahinfliegen, auf Rennpferden reiten! Wie schnell hängt man damit seine eigene Seele ab. Sieht irgendwann nur noch die Schlusslichter seiner selbst. Immer unterwegs, weil immer auf der Flucht. Da mag einer wieder hellhörig werden für ein Wort des König Davids: „Bei Gott allein kommt meine Seele zur Ruhe, von ihm kommt mir Hilfe, von ihm kommt meine Hoffnung.“ (Ps 62)
Nun breitet sich das neue Jahr wieder wie ein unberührtes Schneefeld vor mir aus. Jeder Schritt wird zu sehen sein. Ich drehe mich um und sehe das alte Jahr. Wege und Spuren hin und her, kreuz und quer. Ich gönnen mir am Beginn des Jahres die Ruhe hinzuschauen und die Zeit zu betrachten, die noch unverbraucht, die noch unberührt vor mir liegt. Zeit, die mir zu Verfügung stehen wird. Ich weiß nicht, wie viel ich davon tatsächlich verleben werde. Ich schöpfe Kraft aus dem Vertrauen. Ich verweile bei dem Gott meiner Hoffnung.
Lutz R. Nehk
Hier können Sie den Beitrag auch anhören: MEDITATION
Foto: © Michael-Wieske_pixelio.de - Musik: musopen.org
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