Würde - geraubt und geschenkt
Karfreitag und Ostern
Ob gesungen mit Chor und Orchester, ob mit verteilten Rollen vorgelesen, ob in aller Stille betrachtet – zum Karfreitag gehört die Passion, die Geschichte vom Leiden und Sterben Jesu Christi.
In den vergangenen Wochen der Fastenzeit wurde zur Vorbereitung auf den Karfreitag in vielen Gemeinden der Kreuzweg gegangen. Es sind diese vierzehn Stationen, die den Leidensweg Jesu von seiner Verurteilung durch Pilatus bis zu seiner Grablegung betrachten. Der Kreuzweg orientiert sich an den Passionsberichten, hat aber einige Stationen etwas mehr ausgestaltet und plastischer erzählt.
So zum Beispiel die 10. Station „Jesus wird seiner Kleider beraubt“. Im Gebetbuch Gotteslob lese ich zu dieser Station: „Zu Tode ermattet ist der Herr auf dem Kalvarienberg angekommen. Die Soldaten reißen ihm vor allem Volk die Kleider vom Leib, und die Wunden der Geißelung beginnen von neuem zu bluten.“ (GL 775,10) So ausführlich steht es nicht in der Bibel. Es wird da nur berichtet, dass die Soldaten die Kleidung Jesu unter sich verteilten. Der Evangelist Johannes beschreibt es folgendermaßen: „Nachdem die Soldaten Jesus ans Kreuz geschlagen hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile daraus, für jeden Soldaten einen. Sie nahmen auch sein Untergewand, das von oben her ganz durchgewebt und ohne Naht war. Sie sagten zueinander: Wir wollen es nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll. So sollte sich das Schriftwort erfüllen: Sie verteilten meine Kleider unter sich und warfen das Los um mein Gewand. Dies führten die Soldaten aus.“ (Joh 29 23-24) Das ist ja nun eine Geschichte, die eher am Rande des Geschehens stattfindet. Und doch halten die Evangelisten sie für so wichtig, dass sie sie erwähnen.
Ich habe mit Jugendlichen einen Kreuzweg betrachtet, dessen Texte sie selber geschrieben haben. Es ist interessant: Genau dieser Kreuzwegstation haben sie besonders große Aufmerksamkeit geschenkt. Jesus wird seiner Kleider beraubt. Dieses Bild haben sie mit dem „Mobbing im Internet“ aktualisiert. Das fiese Bloßstellen von Leuten, die sich gegen die Lügen und üblen Beschimpfungen nicht wehren können. Die schützende Privatsphäre wird weggerissen. Unversehens steht man wie nackt und all seiner Kleider beraubt in der Internetöffentlichkeit. Die es geschrieben haben lachen sich ins Fäustchen, die es lesen machen obendrein ihre Witze darüber. Diese scheinbare Nebensächlichkeit der Passionsberichte wird zu einer bedrückenden Karfreitagserfahrung.
Was die Jugendlichen bei dieser Kreuzwegstation empfunden haben, das ist ja auch die Erfahrung vieler Erwachsener. Mobbing am Arbeitsplatz, sexuelle Belästigung, üble Nachrede, die Verletzung der Intimsphäre, Preisgabe persönlicher Informationen – das öffentliche Berauben der Kleider hat viele Spielarten.
Der Karfreitag steht für die „geraubte Würde“. Die Osternacht ist die überwältigende Alternative dazu. Sie schenkt die Würde neu. In vielen Gemeinden werden in dieser Nacht Kinder, Jugendliche, Erwachsene getauft. Und die ganze versammelte Gemeinschaft der Gläubigen erinnert sich an die Taufe und erneuert das Taufversprechen.
Es ist immer ein sehr beeindruckender Teil einer Tauffeier, wenn dem kleinen Kind das weiße Taufkleid angezogen wird. Erwachsenen wird ein weißer Taufschal über die Schultern gelegt. Dieser Ritus deutet, was kurz zuvor in dem Übergießen mit dem Wasser vollzogen wurde. So wird es dem Täufling gesagt: „In der Taufe bist du eine neue Schöpfung geworden und hast - wie die Schrift sagt – Christus angezogen. Das weiße Kleid sei dir ein Zeichen für diese Würde. Bewahre sie für das ewige Leben.“ (Liturgie der Tauffeier) Der Apostel Paulus formuliert diesen Gedanken in dem Brief an die Galater: „Ihr seid alle durch den Glauben Töchter Söhne Gottes in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus als Gewand angelegt. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid „einer“ in Christus Jesus.“ (Gal 3, 27-28)
Eigentlich haben die Christen kein Kleidungsstück, das sie in der Öffentlichkeit als Christen ausweist. Das weiße Taufkleid tragen wir aber immer irgendwie als Untergewand.
Lutz R. Nehk
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